Von Volker Stahl. Alle Welt redet von der neuen Attraktivität der Metropolen. Dort wohnt mittlerweile die Mehrheit der Menschen. Auch deutsche Großstädte boomen. In Hamburg, München und Berlin steigen die Kaufpreise für Immobilien ebenso rasant wie die Mieten. Doch es gibt eine Gegenbewegung – auflagenstarke Magazine wie Landlust, Landleben oder Mein schönes Land künden davon. Gegen den Trend der Re-Urbanisierung ist Hilal Sezgin aus Frankfurt vor einigen Jahren in die norddeutsche Provinz gezogen. Doch das Leben der Schriftstellerin in der Lüneburger Heide hat mit der von den Hochglanzpostillen erfolgreich verkauften Scheinidylle nichts zu tun: Die 44-Jährige kann bei ihren Waldspaziergängen endlich tief durchatmen.
Das „Zentrum“ der kleinen, kein1.000 Seelen zählenden Gemeinde liegt etwas versteckt im Naturpark Lüneburger Heide. Ein altes Mütterchen schleicht mit ihrem Rollator entlang der Dorfstraße, die den Ort zerschneidet. Plötzlich geht es auch für Autos nur im Schritttempo weiter – ein Schäfer treibt seine Tiere mitten auf der Straße zur nächsten Wiese, vorbei an einem Schild mit einem durchgestrichenem Autobahn-Symbol: „Keine A39“. Dann die Einfahrt zum Hof. „Bitte langsam fahren, wegen der Tiere“, mahnte die Hausherrin im Vorgespräch. Links eine Scheune, die sich an einen Laubwald schmiegt. Vor dem Eingang des Wohnhauses steht ein alter Opel Astra, vollgepackt mit Tierfutter. Auf einem Karton ist „Sheba Cuisine“ zu lesen. Hier muss es sein.
Bei Caro-Kaffee und veganem Kuchen kommen wir schnell ins Gespräch. Im ersten Jahr habe sie die neue Heimat „wie ein Kind“ erlebt, sagt die in Frankfurt Aufgewachsene: „Ich habe Steine, Hölzer, einfach alles herbeigeschleppt – wie ein kleines Mädchen, das einen Süßwarenladen plündert.“ Die ehemalige Stubenhockerin erzählt, wie sie durch ihre Arbeit im Stall, auf der Weide und mit den Tieren „stärker und gelenkiger“ geworden sei, verschweigt aber auch ein Tief nicht, das sie vor einiger Zeit hatte. „Ein Stall...
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