Von Susann Witt-Stahl. Das Thermometer sinkt in der brütend heißen Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 kaum unter 30 Grad. Gegen 23.40 Uhr Sirenengeheul. Es donnert aus den rund 100 Flak-Batterien, die über die Hansestadt verteilt postiert sind. Flugzeuge der Royal Air Force (RAF) zeichnen mit Markierungsmunition leuchtende „Tannenbäume“ in den Himmel über Hammerbrook, Hamm, Rothenburgsort, Wandsbek, Barmbek, Borgfelde, Wandsbek: Stadtteile, vorwiegend besiedelt von Industriearbeitern – die Hauptzielscheiben der Bombardements, ist in einer Direktive der britischen Regierung vom 14. Februar 1942 zu lesen.
Die Hamburger haben seit Beginn des Zweiten Weltkrieges schon 141 Luftschläge erlebt. Aber nun werden sie von einer Katastrophe heimgesucht, die an Darstellungen der Apokalypse von Malern wie Hieronymus Bosch erinnert: Das erste Mal in der Geschichte des Krieges fegt ein Feuersturm durch eine Stadt. „Unter uns brennt es wie in einem Hoch-ofen“, stellt der RAF-Bomberpilot Captain Allen Forsythe fest.
Wie in Vers 19.24 des ersten Buch Mose der Bibel über die sündige Stadt Gomorrha geschrieben steht, regnet es Feuer. Die Fliegerstaffeln werfen Sprengbomben und „Blockbus-ter“ (Luftminen) ab, die im Umkreis von 100 Metern alles zerstören, deren Druckwellen bis zu einem Kilometer weit reichen und die Dächer abdecken. Mit Stabbrandbomben, fliegenden Streichhölzern, werden tausende Häuser in Flammen gesetzt und ein gigantischer Flächenbrand entfacht. Vor allem die Brandbomben mit Phosphor – das eine Hitze bis zu 1.300 Grad erzeugen kann, mit Kautschuk vermengt ist, auf der Haut haften bleibt und bis auf die Knochen durchbrennt – treiben Massen von Menschen in rasender Todesangst zu den Kanälen. Beim Überqueren der Straßen „blieben sie im flüssigen Asphalt stecken und verbrannten bei lebendigem Leib“, erinnerte später der damals elfjährige Ernst-Günther Haberland, der den „riesigen Feuerball“ auf der Eiffestraße in Hammerbrook beobachtet hatte.
Nur einen Steinwurf...
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