Von Carsten Vitt.
Sie gibt einem Prinzen aus Kamerun eine Stimme, der Ende des 19. Jahrhunderts als „Wilder“ bei Hagenbeck vorgeführt wurde. Jessica Köster hat ein fiktives Tagebuch geschrieben, das ein Schlaglicht auf koloniales Denken in Hamburg wirft. Dafür wurde die Abiturientin der Stadtteilschule Eidelstedt am Montag mit dem Bertini-Preis ausgezeichnet.
Ein Eintrag im Tagebuch: „Die Arbeit im Zoo ist dumm. Heute mussten wir Kostüme mit Baströckchen anziehen. Wir sahen aus wie 'Wilde'!“ Prinz Samson Dido aber gab es wirklich: Der junge Mann kam 1886 mit einem kleine Gefolge aus Kamerun nach Hamburg. Er hatte einen Vertrag mit Carl Hagenbeck, sollte an dessen Völkerschauen teilnehmen. „Es ging nicht darum, andere Kulturen vorzustellen, die Teilnehmer mussten nur etwas einstudieren, es war eine Inszenierung“, fand die Schülerin bei ihren Recherchen heraus.
Wie fühlt und denkt ein junger Afrikaner, der in Deutschland ausgestellt wird? Jessica Köster ließ diese Frage nicht mehr los. „Ich fand das ergreifend und interessant“, sagt die 20-Jährige Luruperin. Ihr Tagebuch schrieb sie im Rahmen des Projekts „Weiße Flecken der Erinnerung“, an dem ihre Profilklasse voriges Jahr teilgenommen hatte. Thema: koloniale Spuren in Hamburg.
Die von den Schülern gestalteten Bücher wurden mehrfach ausgestellt: im Bürgerhaus Eidelstedt, im Kunsthaus Hamburg, zuletzt im Stadtmuseum in München. Jessica selbst stellte ihr Tagebuch zu verschiedenen Anlässen vor: Zum Beispiel las sie bei der Altonale oder nahm an einer Podiumsdiskussion im Kunsthaus Hamburg teil.
Im laufenden Schuljahr soll das Projekt „Weiße Flecken der Erinnerung“ an der Stadtteilschule fortgesetzt werden.
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